
„Wir müssen raus aus Rollenbildern“
Janina Körber war 10 Jahre lang im Landesvorstand der Naturfreundejugend, davon sechs Jahre als Vorsitzende im Team mit Jakob Baldauf. Wir haben mit ihr gesprochen, wie sie ihre Rolle erlebt hat und wie mehr Frauen für Leitungsrollen gefunden werden könnten – und nebenbei erfahren, was ihre Lieblingseissorte ist.
Du warst sehr lange im Landesvorstand der Naturfreundejugend. Wie bist du in eine Führungsposition gekommen und was hat dich dazu motiviert?
Bevor ich Vorsitzende geworden bin, war ich bereits mehrere Jahre Teil des Jugendvorstands. Plötzlich wurden einfach beide Führungspositionen gleichzeitig frei. Da war eine Lücke. Zu dem Zeitpunkt war ich - wenn auch nicht die Älteste - eines der langjährigsten Vorstandsmitglieder. Basti und Flo, unsere bisherigen Vorstände und für mich große Vorbilder, hatten mir schon früher manchmal auf die Schulter geklopft und nur halb im Scherz gesagt „Wenn in ein paar Jahren du den Laden hier schmeißt…“. Sie haben mir das zugetraut. Das hat mir Selbstvertrauen gegeben und war wahnsinnig motivierend. Insgesamt glaube ich, es war eine Kombination aus dem passenden Lebensabschnitt, einer sich auftuenden Chance und einem coolen Team, mit dem ich Lust hatte, Verantwortung zu übernehmen.
Welchen Hürden oder Vorbehalten bist du begegnet?
Eine Hürde gab es: die Vereinsstruktur. Wir waren damals drei Personen, die sich einen Vorsitz prinzipiell hätten vorstellen können – aber nur zusammen, um uns gegenseitig entlasten zu können. Also haben wir entschieden, diese Struktur einfach zu schaffen und den Vorsitz von zwei auf drei Positionen aufzuweiten (1. Vorsitz, 2. Vorsitz, Kassier*in). Damit war die Verantwortung für jede*n von uns tragbarer. Wir haben das Ehrenamt an uns Ehrenamtliche angepasst.
Unser Gespräch beschäftigt sich natürlich auch mit der Rolle von Frauen in Leitungsfunktionen. Wie hast du das erlebt?
Vorbehalte gegen mich als Frau habe ich während meiner Zeit als Vorsitzende glücklicherweise nicht gespürt. Ich habe das Gefühl, die Jugend ist da oft einen Schritt weiter. Gleichzeitig weiß ich, dass das nicht die Regel ist. In vielen Ortsgruppen sind Frauen im Vorstand immer noch eher in der zweiten Reihe zu finden, stereotyp als Schriftführerinnen. Unsere bayerische Mitgliederstatistik zeigt, dass 47 % unserer Mitglieder Frauen sind, sie machen aber nur 20 % der Vorsitzenden aus. Das wundert mich nicht, wenn beim Arbeitsdienst an meinem Naturfreundehaus immer noch die Männer zum Holzhacken und die Frauen zum Bettenlager-Saugen eingeteilt werden. Es sind oft jahrzehntealte Routinen und „Traditionen“, die dieses Denken bestimmen.
Warum glaubst du, dass Frauen in den Vorständen unserer Ortsgruppen so stark unterrepräsentiert sind, obwohl fast die Hälfte unserer Mitglieder Frauen sind?
Rahmenbedingungen der Vereinsarbeit sind einfach ungünstig, damit Frauen sich engagieren. Zum Beispiel: Fürsorge-Arbeit ist (leider) bis heute mehrheitlich in Frauen-Hand. Wenn Vorstandssitzungen „schon immer“ zu Tageszeiten stattfinden, wenn Kinder ins Bett gebracht werden müssen, ist das für viele Ehrenamtliche ein Hinderungsgrund. Flexible Modelle wie geteilte Vorstandschaften, digitale Sitzungen, Schnupper-Möglichkeiten und Kinderbetreuung während Vereins-Aktivitäten können helfen, damit Frauen ein Ehrenamt realistischer mit ihrem Privatleben vereinbaren können. Das funktioniert aber nur, wenn der Wille da ist und alle mithelfen.
Warum ist es aus deiner Sicht wichtig, den Frauenanteil in Vorständen zu erhöhen? Was gewinnt ein Verband dadurch?
Zum einen ist es Teil unserer Identität als NaturFreunde, dass alle mitmachen dürfen. Seit 1895! Konsequent heißt das: auch in Führungspositionen. Zum anderen wären wir schön blöd, nicht das Potenzial all unserer Mitglieder auszuschöpfen. Studien zeigen, dass vielfältige Teams in der Lage sind, kreativere Lösungen zu finden, bessere Entscheidungen zu treffen und insgesamt erfolgreicher zu sein. Wir müssen raus aus Rollenbildern, die unserem Verein das Know How, die Fertigkeiten, Zeitkapazitäten und Bereicherungen seiner Mitglieder entziehen! Das gilt für alle Geschlechter. Wenn jede*r alles machen darf, macht jede*r was er*sie am besten kann.
Lass uns über Lösungen sprechen. Was könnten Ortsgruppen und der Landesverband konkret dafür tun, um Frauen zu ermutigen, Führungspositionen zu übernehmen?
Das Wichtigste ist: Vereinsstrukturen sind selbstgemacht. Und sie können selbst geändert werden. Regeln und „Traditionen“, Abläufe und die Gestalt der zu vergebenden Posten werden von uns bestimmt, den Mitgliedern. Auch den nicht-Männlichen. Die gute Nachricht ist also, wir haben schon alles in der Hand, was es braucht. Wartet nicht, bis sich eine* traut, sich zur Abstimmung zu stellen. Fragt eure nicht-männlichen Mitglieder, was sie sich wünschen, damit sie Lust haben auf ein Ehrenamt. Und dann werdet aktiv und schafft diese Rahmenbedingungen. Ein wohlwollendes, offenes Mindset mit dem Willen zur Selbstkritik und Veränderung ist meiner Meinung nach erfolgreicher als Quoten. Darüber hinaus können Schnupper-Möglichkeiten, Mentoring-Programme und manchmal auch finanzielle Entlastungen (Fahrtkostenerstattung) helfen, gerade für junge Menschen die Hürden zu senken.
Hast du eine Botschaft an Frauen, die vielleicht darüber nachdenken, sich stärker in der Verbandsarbeit bei den NaturFreunden zu engagieren?
Mach’s! Du kannst so krass daran wachsen. Ich hätte mir nichts Besseres vorstellen können, als im geschützten Umfeld eines Vereins Führungserfahrung sammeln zu dürfen. Und neue Freunde. Und wunderbare gemeinsame Erlebnisse. Jedes Ehrenamt prägt, so wie du dein Ehrenamt prägst. Und unser Verein wartet darauf, deine Fähigkeiten zur Geltung zu bringen und zu fördern.
Gibt es auf Landes- oder Bundesebene Möglichkeiten für Interessierte, sich mit dem Thema zu beschäftigen und konkrete Veränderungen zu erwirken?
Die Stärkenberatung. Wer gerne konkret lernen möchte, wie der eigene Vorstand offener werden kann, kann sich jederzeit an unsere Vereins-internen Berater*innen wenden. Wofür haben wir die denn?
Letzte Frage: Was ist Deine Lieblingseissorte?
Pistazie!
Danke fürs Gespräch, Janina!